Abwärme im Rechenzentrum: Wärmeüberschuss sinnvoll nutzen __

Abwärme aus dem Rechenzentrum
27. August 2025 6 min.

 Stellen Sie sich Folgendes vor: Jedes Mal, wenn Sie eine Serie ansehen, ein KI-Modell trainieren oder die Daten Ihres Unternehmens sichern, ist ein Rechenzentrum irgendwo hart im Einsatz – und praktisch der gesamte Strom, der diese Server mit Strom versorgt, endet als Wärme. 

Anstatt diese Wärme zu verschwenden, was wäre, wenn wir sie einfangen und zum Heizen von Nachbarschaften, Gewächshäusern oder sogar olympischen Schwimmbädern verwenden würden?

Das ist nicht nur eine Vision für die Zukunft – es passiert jetzt.

Warum die Hitze von Rechenzentren wichtiger denn je ist


Die Rechenzentren von heute sind die Motoren unserer digitalen Welt. Aber sie nähern sich auch einem neuen Energiemeilenstein. Die jüngste Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass der weltweite Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2030 etwa 945 Terawattstunden erreichen könnte, was fast einer Verdoppelung des Bedarfs vor wenigen Jahren entspricht. Das bedeutet ein massives, stetig wachsendes Angebot an nutzbarer Abwärme – wenn wir wissen, wie wir sie nutzen können.

Warum entsteht so viel Wärme?

  • IT-Last ist gleich Wärme: CPU- und GPU-Prozessoren geben bis zu 95 % ihrer elektrischen Leistung als Wärme ab.
  • Die Kühlung ist der zweitgrößte Energiefresser: Die konventionelle Luftkühlung verbraucht bis zu 40 % des Stroms eines Rechenzentrums – Energie, die auch als Abwärme endet.

Bisher bleibt dieses Potenzial ungenutzt, aber die Regulierung holt auf: Der größte Teil dieser Wärme landet immer noch in der Atmosphäre. Die überarbeitete EU-Energieeffizienzrichtlinie (EU/2023/1791) verpflichtet die Betreiber ab September 2024 zur Meldung detaillierter Leistungsdaten und fördert die Integration von Abwärme aus Rechenzentren in Wärme- und Kältenetze – ein klarer Investitionsimpuls für Betreiber und Kommunen.

Um sicherzustellen, dass die Wärme mit minimalen Verlusten fließt, werden Rohre benötigt, die druck- und temperaturbeständig, korrosionsfrei sowie schnell und einfach zu installieren sind. 

Wie Rechenzentren Wärme nutzen

Fakt ist: Fast die gesamte elektrische Energie, die von CPUs und GPUs verbraucht wird, verlässt das Rechenzentrum schließlich als Wärme – in der Regel mehr als 90 %. Der Schlüssel liegt darin, es bei Temperaturen aufzufangen, die hoch genug sind, um es wiederzuverwenden.

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Je heißer die aufgefangene Wärme ist, desto effizienter kann sie direkt in die Wärmenetze der Nachbarschaft oder der Stadt geleitet werden – manchmal mit nur einem bescheidenen Temperaturanstieg durch eine Wärmepumpe.

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Temperaturbereiche von Kühlsystemen für Rechenzentren und Potenzial für die Integration in Wärmenetze

Vom Rechenzentrum bis in die Praxis 

Abwärme aus Rechenzentren steht rund um die Uhr zur Verfügung, wird jedoch meist ungenutzt abgegeben Und das, obwohl sie bei gezielter Nutzung eine zuverlässige und niedrigschwellige Wärmequelle für Stadtwerke, Quartiersentwickler und die Industrie darstellen könnte.

Drei Fragen sind entscheidend: Wohin geht die Wärme? Wie hoch ist das Temperaturniveau? Wie nah ist der Konsument?

Kein Nebenprodukt mehr: Abwärme wird zur Ressource

Zukunftsorientierte Rechenzentren verlagern ihre Rolle von Power-Usern hin zu Community-Partnern. Statt Abwärme buchstäblich in Rauch aufgehen zu lassen, verwandeln moderne Designs sie in eine wertvolle, kohlenstoffarme Heizressource für Städte.

Vom Rack zum District: Wie die Hitze rauskommt

  • Nachbarschaften: Kühlkreisläufe von Servern liefern oft Wasser mit einer Temperatur von 35 bis 50 °C. Eine große Wärmepumpe sorgt für lokale Netze (<80 °C), die Häuser, Wohnungen und gemischt genutzte Blöcke versorgen.
  • Kommunale/bestehende Netze: Die Wärme kann auch auf >90 °C angehoben werden, um sie direkt in die Stromnetze von Großstädten und ältere Fernwärmesysteme aus der "Dampfära" einzuspeisen.

Rechenzentren sind keine Energieinseln mehr – mit der richtigen Installation und Planung werden sie zu Ankern im kohlenstoffarmen Netz. 

Praxisbeispiele für den Mehrwert der Abwärmenutzung von Rechenzentren

  • Finnland:
    In Espoo, Kauniainen und Kirkkonummi arbeiten Microsoft und der Energieversorger Fortum zusammen, um rund 40 % des Fernwärmebedarfs – für 250.000 Menschen – durch Abwärme aus neuen Rechenzentren. Dies gilt als eines der weltweit größten Projekte zur Wärmerückgewinnung von Rechenzentren und soll bis 2026 in Betrieb gehen.[3][4]
  • Frankreich:
    Im PA10-Rechenzentrum von Equinix in Saint-Denis, Paris, wird die Serverwärme aufgefangen und mit Wärmepumpen aufgerüstet, um etwa 10.000 MWh pro Jahr zu liefern – genug, um rund 1.000 Haushalte zu heizen oder die Pools des Olympic Aquatics Centre das ganze Jahr über auf angenehme 27 bis 28 °C zu bringen.
  • Dänemark: Der riesige Datencampus von Meta (Facebook) in Odense gewinnt seine Abwärme zurück, um bis zu 11.000 Haushalte durch das Fernwärmenetz von Odense – eine stabile, 24/7 erneuerbare Ressource für die Stadt.

    Kanada: Aufstrebender Marktführer bei der Wiederverwendung von Wärme in Rechenzentren

Auch Kanada beteiligt sich an den Maßnahmen – vor allem, da die Politik für saubere Energie auf Bundes- und Provinzebene die Entwicklung der Fernwärme beschleunigt.

  • Hamilton, Ontario:
    Die Sanierung von Hamilton Steelport und Hamilton Community Energy arbeiten gemeinsam an Fernwärmesystemen im industriellen Maßstab, einschließlich Machbarkeitsstudien zur Nutzung von Abwärme sowohl aus der Stahlerzeugung als auch aus zukünftigen Rechenzentren.
  • Quebec und Ostkanada:
    In Quebec sind bahnbrechende Unternehmen wie QScale führend bei der Wiederverwendung von Wärme in Rechenzentren. Das Flaggschiff von QScale, der Lévis-Campus, ist so konzipiert, dass er benachbarte Gewächshäuser mit überschüssiger Wärme versorgt und lokale Energienetze entwickelt. Andere groß angelegte digitale und industrielle Projekte in Ostkanada (und Quebec im Allgemeinen) greifen ähnliche Modelle auf und markieren damit einen regionalen Wandel hin zu nachhaltigem Wärmerecycling.

 

Warum Betreiber und Kommunen profitieren 

Durch das Recycling von Serverwärme wird der PUE-Wert eines Standorts erheblich reduziert und energieintensive Kühltürme oder Lüfter ersetzt. Dies reduziert sowohl den Stromverbrauch als auch die Betriebskosten. Gleichzeitig werden Wärmeabnahmeverträge erstellt, die aus einem reinen Kostenblock einen verlässlichen Cashflow machen. BCG-Analysen zeigen, dass sich die Investitionskosten in der Regel nach rund drei Jahren amortisieren, wenn ein Rechenzentrum seine Abwärme direkt an benachbarte Gebäude abgibt. Wird die Wärme über ein kleines Nahwärmenetz an Verbraucher in einem Umkreis von bis zu zwei Kilometern eingespeist, beträgt die Amortisationszeit in der Regel weniger als fünf Jahre.

Ein weiterer Hebel ist die Dekarbonisierung: Jede Megawattstunde entkoppelter Serverwärme ersetzt fossile Energie und verbessert die ESG-Bilanz. Ein Faktor, der sich vor dem Hintergrund der EU-Taxonomie, der CSRD-Berichtspflichten und der steigenden CO₂-Preise finanziell deutlich bemerkbar macht.

 

Technische Voraussetzungen für eine erfolgreiche Abwärmenutzung in Rechenzentren

Wärme aus dem Serverraum wird erst dann zu einem tragfähigen Geschäftsmodell, wenn die Schlüsselfaktoren sauber miteinander verknüpft sind: hydraulische Trennung, Temperaturerhöhung und verlustarmer Transport. Durch die Konstruktion von Wärmetauschern, Wärmepumpen und PP-R-Rohren als integrierte Lösung entsteht ein ganzheitliches System, das dicht, effizient und langlebig ist. So wird das Rechenzentrum zur Energiedrehscheibe und die dabei anfallende Abwärme wird systematisch nutzbar.

  1. Wärmetauscher – Schnittstelle zwischen IT und Netzwerk
    Ein doppelt redundanter Plattenwärmetauscher befindet sich am Rack-Kühlkreislauf. Sie entkoppelt den empfindlichen Primärkreislauf vom nachgeschalteten Wärmenetz, verhindert Verschmutzungen und ermöglicht eine Wartung im laufenden Betrieb. Moderne Edelstahlplatten erreichen Verweilzeiten von unter 30 Sekunden und halten den Strömungswiderstand so gering, dass die IT-Pumpen kaum zusätzliche Leistung ziehen müssen. Solche Wärmetauscher sind für die Abwärmenutzung in Rechenzentren unerlässlich , um thermische Energie effizient ins Netz zu übertragen.

  2. Wärmepumpen – Temperaturerhöhung um  30 bis 40 K 
    Kühlwasser aus Luft- oder Wasserkühlung verlässt das Rechenzentrum in der Regel bei 35–50 °C. Zweistufige Industrie-Wärmepumpen mit Low-GWP-Kältemitteln erhöhen diesen nun effizient auf 80 bis 85 °C – genau das Niveau moderner Niedertemperatur-Fernwärmenetze. Feldmessungen zeigen COP-Werte von bis zu 4,2 und Energierückgewinnungsraten von 40 % in Großanlagen. Damit sind sie eine Schlüsseltechnologie für die effektive Nutzung von Abwärme in Rechenzentren.

  3. Rohrleitungssysteme –  die stille Cash-Cow 
    PP-R Rohrsysteme wie aquatherm blue bestehen aus glasfaserverstärktem Polypropylen. Sie sind korrosionsfrei, 80 % leichter als Stahl, und werden mit Schmelzen mit Schmelzklebstoff, die für eine perfekte Verbindung sorgt und das Risiko von Leckagen reduziert auf ein Minimum. Herstellertests und unabhängige Berichte bescheinigen eine Nutzungsdauer von mehr als 50 Jahre. Und Die glatte Innenfläche (Rauheit < 0,007 mm) reduziert die Pumpenarbeit und damit die OPEX. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der verlustarmen Übertragung von Abwärme.

  4.  Netzanbindung   – Nähe schlägt Größe
    Je kürzer die Leitung, desto klarer der Business Case. Praxisprojekte zeigen, dass Entfernungen von weniger als zwei Kilometern – zum Beispiel von einem Hyperscaler zu einem angrenzenden Wohngebiet – die Kosten für die Wärmeerzeugung um bis zu 25 % senken. Deshalb empfiehlt die europäische Norm EN 12828, Anschlussstellen für zukünftige Wärmeverbraucher bereits in der Vorplanung zu planen und das Druckhaltesystem so auszulegen, dass Netzausbauten ohne vollständige Abschaltungen möglich sind. Kurze Wege sind auch ein wesentlicher Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Abwärmenutzung in Rechenzentren.

  5. Fernwärme – überschüssige Wärme in Energieversorgung umwandeln.
    Die Abwärme aus Rechenzentren kann auch für die Versorgung von Fernwärmenetzen genutzt werden. Für die zuverlässige Übertragung des durch Abwärme erwärmten Wassers bietet aquatherm ein innovatives Rohrleitungssystem an: aquatherm energy. Das System besteht aus vorisolierten Polypropylen-Rohren mit einem dreischichtigen Aufbau: einem PP-RCT-Trägerrohr, einer PUR-Schaumisolierung und einem HDPE-Außenmantel. Diese Konstruktion gewährleistet maximale Energieeffizienz, minimalen Wärmeverlust und eine hohe Beständigkeit gegen chemische und thermische Beanspruchung.
    aquatherm energy Systeme sind leicht, flexibel und einfach zu installieren und eignen sich daher ideal für ausgedehnte unterirdische Netze. Ihre robuste Bauweise und Korrosionsbeständigkeit garantieren eine langfristige Betriebssicherheit für Kommunen, Versorgungsunternehmen und Gebäudekomplexe und unterstützen nachhaltige und zukunftssichere Heizlösungen für Quartiere und ganze Städte.

Rechtliche Vorgaben und Fördermöglichkeiten

Das politische Klima verschiebt sich rasant hin zur verpflichtenden Rückgewinnung und Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren.

Wer heute Projekte plant, sollte die folgenden Richtlinien kennen und aktiv in den Business Case einbeziehen.

Europa setzt den rechtlichen Rahmen 

Mit der überarbeiteten EU-Energieeffizienzrichtlinie (EU/2023/1791) gelten ab Oktober 2025 neue Regeln für Rechenzentren über 1 MW: Betreiber müssen jährlich die Möglichkeit einer Abwärmenutzung in Rechenzentren technisch bewerten, eine Kosten-Nutzen-Analyse einreichen und Kennzahlen (u.a. PUE und Wärmeauskopplung) an eine EU-Datenbank melden.

Gestützt auf eine starke politische Förderung und gezielte Finanzierungsinstrumente treiben Regierungen und Versorgungsunternehmen den Ausbau der nächsten Generation von Wärmerückgewinnungsinfrastrukturen aktiv voran. Dadurch entstehen nicht nur neue Investitionsanreize, sondern auch stabile Rahmenbedingungen, die Innovation und großflächige Umsetzung ermöglichen.

Auch Kanada bewegt sich: Hamilton, Markham, die National Capital Region und andere Städte verstärken Investitionen und Marktstudien für Fernenergie- und Abwärmeprojekte.

Land/Instrument Verfügbare Fördermittel Wärmerückgewinnung

EU-Innovationsfonds

Über 40 Mrd. EUR bis 2030 

Ja – umfasst große Wärmepumpen, Rückgewinnungsnetze 

Deutschland BEW

Bis zu 40 % Zuschuss, max. 100 Mio. € 

Ja – unterstützt Netze mit hohem Anteil an erneuerbarer Energie/Abwärme 

Wärmefonds Frankreich 

Bis zu 60% Zuschuss 

Ja – Netze, Rohre, Wärmepumpen, zurückgewonnene Wärme 

 UK Green Heat Network  

 Über 288 Mio. £ (2023–2026) 

Ja – Kapitalzuschüsse für zurückgewonnene/erneuerbare Wärme 

 

Fazit: Abwärme vom Rechenzentrum clever nutzen – frühzeitiges Handeln, große Wirkung

Welche Lösungen funktionieren in der Praxis? Und was lässt sich daraus für andere Regionen ableiten? Ein Blick auf erfolgreiche Projekte mit Fernwärme und Nahwärme weltweit zeigt: Unterschiedliche Rahmenbedingungen erfordern unterschiedliche Technologien, doch es gibt wiederkehrende Erfolgsfaktoren.

Wenn Sie digitale Infrastrukturen aufbauen, verwalten oder planen – oder die kommunale Energiepolitik gestalten – ist es jetzt an der Zeit zu handeln. Vorreiter in Finnland, Frankreich, Dänemark und ganz Kanada beweisen, dass Abwärme von einer klimatischen Herausforderung zu einer wirtschaftlichen Chance werden kann – indem sie Städte begrünen, Heizkosten senken und neue Geschäftsmodelle für Energie entwickeln.

Sind möchten die Abwärme Ihres Rechenzentrums sinnvoll nutzen?  Wir beraten Sie gerne.

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